Blue Flower

Was heißt und zu welchem Ende schreibt man noch Filmkritiken?

 

Paolo Mereghetti ist einer der am meisten geschätzten und beachteten italienischen Filmkritiker. Mit seinen klaren und erhellenden Texten berichtet er seit Jahren in den wichtigsten italienischen Medien über das Kino aus aller Welt. Seit 1993 gibt er das Dizionario dei film (Baldini & Castoldi) heraus, ein in seinem Umfang und seiner Dokumentation einzigartiges Nachschlagewerk, auch bekannt als Il Mereghetti, worauf man sich verlassen kann, wenn man nach einem guten Film sucht. Vor der Eröffnung der 74. Berlinale spricht Mereghetti darüber, was es heute bedeutet, Filmkritiker zu sein.

Paolo Mereghetti im Gespräch mit Maria Carolina Foi

Mereghetti Paolo (Mailand 1949), Journalist und Filmkritiker für den Corriere della Sera und die Zeitschrift Io Donna und war Berater für das Filmfestival von Venedig. Er hat u.a. Essays und Bücher über Orson Welles, Arthur Penn, Marco Ferreri, Bertrand Tavernier, Sam Peckinpah, Yervant Gianikian und Angela Ricci Lucchi, Serge Daney und Jacques Rivette veröffentlicht. Im Jahr 2001 wurde er mit dem Premio Flaiano für Filmkritik ausgezeichnet.
(Quelle: Baldini & Castoldi)

Mittwoch, 14. Februar 2024
19 Uhr
Italienisches Kulturinstitut Berlin

Auf Italienisch mit Simultanübersetzung durch Johannes Hampel, Simultandolmetscher Berlin

Eine Besprechung dieses Abends legte der Filmkritiker Gerhard Midding am 15.02.2024 vor:

Vermitteln, was vor Augen liegt | epd Film (epd-film.de)

Auszüge: 

Auch er bereut es heute oft, einen Verriss geschrieben zu haben. Es geniert ihn, seinerzeit so vom Leder gezogen zu haben. Eigentlich müsste man erklären, warum ein Film schlecht ist. Und auch das Missglückte verdient manchmal Respekt, zumindest aber ein besonnenes Urteil. Überheblichkeit ist in jedem Fall fehl am Platze, findet Paolo Mereghetti.

Nach seiner Ansicht sollte der Kritiker immer einen Schritt zurücktreten: Er ist nicht so wichtig wie das Werk, über das er schreibt. Er steht nicht über ihm, er hat keinen Anlass, herab zu blicken. Manche Filmkritiker hätten sich diese Haltung als Image zurechtgelegt, etwa seine berühmte Kollegin Pauline Kael. Der Italiener hingegen ist überzeugt, dass seine Aufgabe eine ganz andere ist.

[...]

Davor legte Paolo die Parameter seiner Arbeit dar. Er hat zunächst Kunstgeschichte studiert und von Ernst Gombrich gelernt, wie man prägnant das Werk eines Künstlers darstellen kann. Seinen Abschluss hat er jedoch in Philosophie gemacht, mit einer Dissertation über Orson Welles (das Summa cum laude verfehlte er, weil das Thema den Prüfern zu wenig philosophisch erschien). Die „Wundmale des Hegelianismus“ blieben jedoch „an seinen Händen“ - der begeisterungsfähige Simultanübersetzer Johannes Hampel traf seine Verve genau -: Vom ersten Satz an muss ein Text für ihn zielstrebig sein. Einen Stil muss man sich erlauben können, aber er muss im Dienst dessen stehen, was es zu sagen gibt über ein Kunstwerk.

[...]